Eine Definitionsfrage

In einem meiner früheren Blog-Beiträge habe ich mich schon damit beschäftigt, warum die myofunktionelle Dysfunktion gar keine ist. Dennoch ist der Begriff „Myofunktionelle Störung / Dysfunktion (MFS/MFD)“, oder synonym verwendet „Orofaziale Dysfunktion (OFD)“, überall geläufig und findet Anwendung für pathologische Bewegungsmuster im orofazialen Bereich – pathologische Zungenruhelage, viszerales Schluckmuster und Habits. Welcher Ursache diese pathologischen Muster sind, bleibt bei dem Begriff außen vor. Da jedoch könnte man differenzieren:

Man könnte doch sagen, dass eine myofunktionelle Störung, wie es der Name schon sagt, tatsächlich ursächlich mit einem zu geringen Muskeltonus in Zusammenhang steht. Das wäre ja beispielsweise bei allen den Muskeltonus herabsetzenden Erkrankungen oder hereditären Ursachen der Fall. So könnte man bei Vorliegen pathologischer Bewegungsmuster bspw. bei Patienten mit Morbus Langdon-Down, Prader-Willi-Syndrom, kongenitaler Myasthenie oder Muskeldystrophie in der Tat von einer „MFD“ sprechen, da hier der Muskeltonus reduziert ist.

Im Gegensatz dazu bestünde bei allen Patienten mit pathologischen orofazialen Funktionen, die muskulär in der Lage sind, die physiologischen Muster auszuführen, eine orofaziale Dysfunktion „OFD“. Dies ist bei allen neurologisch gesunden Patienten ohne den Muskeltonus betreffende Grunderkrankungen in der Regel der Fall. Deshalb ist es auch möglich, mit diesen Patienten bereits in der ersten Therapieeinheit die physiologische Zungenruhelage und das adulte Schluckmuster zu erarbeiten, ohne dass dem Tonusübungen für die Muskulatur vorgeschaltet werden müssen. Sie haben aus welchen Gründen auch immer die physiologischen Abläufe nicht erworben, sondern verharren in den für ihr Alter pathologischen Bewegungsmustern, obwohl eben keine inkompetente Muskulatur zugrunde liegt.

Dann müsste man den Begriffen MFD und OFD allerdings eine übergeordnete Kategorie voranstellen – zum Beispiel den Begriff „Orofaziale Bewegungsstörung / Orofacial Movement Disorder“, der die Kardinalsymptome pathologische Zungenruhelage und viszerales Schluckmuster beinhalten würde. Denn letztlich handelt es sich ja darum, dass hier vormals physiologische Bewegungen nicht in altersgerechte bzw. entwicklungsgerechte Muster überführt sind.

Damit würde man die undifferenzierte Diagnose MFS / MFD nicht nur ursachengeleitet für die jeweilige Patientengruppe definieren, sondern gleichzeitig auch auf eine entsprechende Therapieform schließen können. Denn wo die Muskulatur nicht die Ursache ist, muss sie auch nicht trainiert werden. Damit können all jene Patienten, die physiologische Muster aufgrund eines potentiell gesunden Tonus ausführen können, entsprechend effizienter Therapie zugeführt werden.