Ein paar Gedanken zur Zungenruhelage

Ein zentraler Bereich in der Therapie der orofazialen Dysfunktionen ist die Erarbeitung und Habitualisierung der Zungenruhelage. Denn wo die Zungenruhelage nicht physiologisch ist, kann auch das Schluckmuster nicht physiologisch sein, wenn wir davon ausgehen, dass aus dieser Ruhelage heraus geschluckt wird.

Immer wieder kommt die Frage auf, ob man die Zunge nicht auch etwas weiter hinter die Papilla incisiva positionieren kann, wenn der eigentliche Platz nicht „frei“ ist. Das kann bspw. bei einer Prognathie gepaart mit einem tiefen Biss der Fall sein, wenn die Inzisalkanten der unteren Schneidezähne auf Höhe der Papilla stehen. Man liest auch, dass die Zunge „in der Kuhle“ positioniert werden soll, also hinter der Papilla im Gaumendach. Mitunter mag das auch dem nachvollziehbaren Gedanken geschuldet sein, dass die Zunge lieber zu weit hinten als zu weit vorn liegen soll.

Nun ist es aber so, dass je weiter man die Zunge Richtung Rachen positioniert, desto enger auch der Rachen wird. Der Luftweg wird enger, das Atmen durch die Nase weniger angenehm, insgesamt eine ziemlich ungemütliche Ruheposition. Das Schlucken aus dieser Zungenposition heraus ist ebenfalls schwierig und genauso ungemütlich. Probieren Sie es aus!

Das Ziel der Therapie der orofazialen Dysfunktion ist die vollständige Habitualisierung der neu erlernten Muster für das Schlucken und die Zungenruhelage. Dafür hatten die Patienten jedoch schon gut funktionierende, gemütliche und angenehme Muster. Zudem gibt es für das Gehirn eigentlich keinen Grund diese Muster durch neue zu ersetzen. Denn außer dass die pathologischen Muster für die Zahnstellung nicht förderlich sind, sind sie unproblematisch: sie machen keine Schmerzen, Verschlucken ist die Ausnahme, alles landet in der richtigen „Kehle“. Deshalb ist es wichtig, dass die neuen Muster für Zungenruhelage und Schlucken ebenfalls gemütlich und angenehm sind und mühelos umgesetzt werden können. Es darf durchaus anstrengend sein, sich anfangs auf die neuen Bewegungen zu konzentrieren, aber das Ausführen selbst darf nicht anstrengend sein.

Deshalb gibt es aus meiner Sicht nur eine Möglichkeit, die Zungenruhelage anzubahnen: die Zunge gehört mit dem vorderen Teil an die Papilla incisiva und die umgebenden Gaumenfalten, der mittlere Zungenteil sollte den harten Gaumen vollständig ausfüllen. Dazu gehören locker geschlossene Lippen und die Ruheschwebe des Unterkiefers (in der Therapie locker geschlossene Zahnreihen, d.h. Backenzähne berühren sich).

Ist diese Position aufgrund der anatomischen Gegebenheiten nicht möglich, dann muss ich das Erarbeiten von Zungenruhelage und Schlucken verschieben, bis die Anatomie physiologische Muster zulässt. Das kommunziere ich auch der/m verordnenden Kieferorthodpädin/en so. (Auch dass ich dann nicht stattdessen schon mal Kräftigungsübungen mache 😉 )

Fazit: Die Zungenruhelage immer ganz genau in der physiologischen Position erarbeiten oder gar nicht! Das Ausweichen auf andere Positionen ist keine Option, denn dann habe ich ein pathologisches Muster lediglich durch ein anderes pathologisches Muster ersetzt.